Nach vorne danken

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Vor einiger Zeit erlebte ich etwas, das meiner Beziehung zum Geben, Nehmen und Danken eine weitere Perspektive hinzufügte. Es begab sich nämlich einst, dass mein Liebster und ich einen Ausflug mit der “Gummikuh” unternahmen (unter Kennern ist “Gummikuh” ein Name für ein ziemlich betagtes Motorrad der Marke BMW – aber das nur am Rande). Wir waren bereits auf dem Rückweg als es zu regnen begann, die Straße war möglicherweise im gleichen Alter wie unser Gefährt, eine Kurve, die Reifen verloren den Halt und wir flogen durch die Luft. Unter Schock lagen wir auf der Straße als ein kleines Auto heranfuhr. Ihm entstieg ein junges Paar. Sofort halfen sie uns auf die Seite, stellten Warnblinker an und -Dreieck auf und wirkten beruhigend auf uns ein, während wir auf die Krankenwägen warteten. Die beiden machten das großartig!

In der Zeit danach waren wir damit beschäftigt, die ganze Sache zu verdauen und zu heilen. Liebsten hatten sie im Krankenhaus wieder kunstvoll zusammengeflickt und ich kümmerte mich um meinen Patienten. Der Unfall hatte uns bewußt gemacht, wie wichtig wir einander sind. Wir entschieden uns, endlich zusammenzuziehen. Als ob das Schicksal nur darauf gewartet hätte, entdeckten wir ein kleines Häuschen, das wir uns gemütlich machten und in das wir schon bald einzogen. Kurz: Der Alltag hatte uns wieder.


Einige Jahre später fuhren wir, diesmal mit dem Auto, von einem Besuch bei Freunden nach Hause über die Straße, auf der es passiert war. Still wars im Auto, beide erinnerten wir uns an damals – was geschehen war und wie viel Glück wir gehabt hatten. Unangenehm berührt dachte ich auch daran, dass wir den beiden jungen Menschen, die uns so wunderbar beigestanden haben, nicht mehr angerufen und uns nochmals ausdrücklich bedankt hatten, vielleicht mit einem Essen – obwohl sie uns, für alle Fälle und wenn wir eine Aussage brauchten, ihre Telefonnummer gegeben hatten.

Jeder für sich tief in Gedanken versunken fuhren wir so dahin, als etwas unsere Aufmerksamkeit auf sich zog. Keine 200 Meter, an der nächsten Gabelung, standen zwei Autos mitten auf der Kreuzung. Menschen liefen verwirrt umher – der Unfall war wohl gerade erst passiert. Wir stellten sofort den Warnblinker an, das Warndreieck auf, sammelten die Verwirrten ein und wirkten beruhigend auf sie ein während wir auf die Krankenwägen warteten. Die Brille, nach der eine der verunfallten Frauen immer wieder verlangte, konnte ich zum Glück unversehrt unter einem der Autos entdecken und alles fügte sich zum Guten.

Ist das nicht verblüffend?

Ich glaube, nur selten im Leben gibt es eine so deutliche Verknüpfung – aber es ist sicher öfter so, dass wir den Menschen, die uns Gutes taten, nicht oder nur beiläufig danken. Vielleicht aus Zeitgründen oder Unachtsamkeit, vielleicht auch aus Stolz oder Verlegenheit. Und eines Tages bekommen wir die Gelegenheit, das, was wir von ihnen erfahren haben, weitergeben zu können.

An den, der gerade jetzt Hilfe, Unterstützung, Freundlichkeit oder etwas anderes braucht, das wir ihm geben können. Einfach weil wir da und in der Lage dazu sind. Ich denke hier an die Worte eines alten Freundes, der mir in echter Not geholfen hat. Auf die Frage, wie ich mich je erkenntlich zeigen kann, hat er nur gesagt: “Petra, es geht darum, den Dank nach VORNE abzustatten”. Ein bisschen unmodern ausgedrückt, doch seit dieser Unfallgeschichte verstehe ich genau, was er damit gemeint hat.

Zu Weihnachten werden viele Erwartungen gehegt. Oft ganz unbewußt. Viel geschenkt, viel gedankt, machmal vielleicht nur reflexhaft, anstandshalber – vielleicht Geschenke verglichen, Wertigkeiten abgeschätzt. Viel Aufwand betrieben, viel Mühe gemacht, gekocht, gebacken, verziert und dekoriert.

Und daher möchte ich dir heute sagen: Wenn du das Gefühl hast, viel getan, dich sehr bemüht zu haben, mit aller Sorgfalt Geschenke und Mahlzeiten zusammengestellt hast und du vermisst die Dankbarkeit und Wertschätzung deiner Mitmenschen dafür, dann lade ich dich zu diesem Gedanken ein:

wunderkerzen_zopfmaidEs könnte sein, dass sie die Aufgabe haben, nach VORNE zu danken. Nicht zurück zu dir, sondern die liebevolle Qualität, die sie von dir bekommen haben, weiterzureichen – so dass es wachsen und sich ausbreiten kann. Ich sage nicht, dass es so ist – doch wir können die Möglichkeit in Betracht ziehen, was meinst du? Vielleicht geschieht das erst in vielen Jahren, vielleicht sogar in Jahrzehnten und späteren Generationen – wer weiss? Zeit und Raum spielen ja eine viel kleinere Rolle, als wir manchmal glauben.

Ich wünsche dir eine gesegnete Weihnachtszeit
und dass du kraftvoll ins neue Jahr gehen kannst!

Alles Liebe für Dich,

Petra

In meinen Blogartikeln schreibe ich über meine persönlichen, selbstgemachten Erfahrungen. Nimm dir, was dich bewegt – den Rest vergiss getrost. Weder muss ich meine Erfahrungen an deine anpassen, noch du deine an meine. Alles ist in stetiger Veränderung und nichts ist hier in Stein gemeißelt. Ich bin frei und du auch.